Christoph Weisse

fotografie-blog

Dieser Foto-Blog berichtet aktuell über interessante Erfahrungen, Neuheiten und Ideen in der Landschafts- und Naturfotografie.

 

Abschied von der Spiegelreflex?

Wenn man sich in den letzten Jahren mit Mitarbeitern von Nikon unterhielt, wurden sie nicht müde, die Vorzüge ihrer Spiegelreflexkameras hervorzuheben. Traf man dieselben Mitarbeiter nach Feierabend wieder, hatten sie dann meistens doch mindestens das eine oder andere gute Wort für Kameras von Sony, Fuji, Panasonic, Olympus oder Leica übrig. Alles Firmen, die sich von Spiegelreflexkameras hin zu sogenannten spiegellosen Kameras verabschiedet haben und auf diese neuere Technologie setzen. Nikon hatte mit der kürzlich eingestellten 1er-Reihe auch solche spiegellosen Kameras im Angebot. Allerdings eher mit bescheidenen Ambitionen, Ansprüchen und Erfolgen. Auch von Canon gibt es seit längerem spiegellose Kameras, aber die richten sich ebenfalls ans Einsteiger- und Hobbysegment. Für höhere Ansprüche setzten beide Konzerne lieber auf grössere Spiegelreflexkameras. Doch das ändert sich nun: Nikon hat am 23. August die neue Nikon Z vorgestellt und Canon wird in naher Zukunft folgen.

Zur Erklärung: Vollformatsensoren werden auch Kleinbildsensoren genannt und waren bis vor der Lancierung von Sonys A7 nur etwas für teure Profi-Kameras. Die Sensoren entsprechen von der Grösse her ziemlich genau dem früheren 35-mm-Fotofilm. Grosse Sensoren haben den Vorteil, dass sie mehr Licht einfangen und so auch bei Dunkelheit bessere Bilder liefern. Zudem ist es leichter möglich, den Hintergrund eines Fotos unscharf zu stellen. Kommt dazu, dass alte Objektive aus der Filmzeit genau so funktionieren wie damals, da der Sensor gleich gross ist, wie der Film von damals. Im Gegenzug sind solche Sensoren nicht die schnellsten, brauchen mehr Platz, und teurer als kleinere sind sie in der Regel auch noch.

Dass Vollformatsensoren toll sind, da sind sich Profis und ambitionierte Fotografen meist einig. Manche monieren einzig, dass man den Unterschied zu kleineren Sensoren kaum sieht und dass der Aufpreis die Vorteile nicht rechtfertigt. Weniger einig sind sich Fotografen, wenn es um den Spiegel geht – also das namensgebende Bauteil einer jeden Spiegelreflexkamera. Die erlauben es, dass man mit dem Sucher durch das Objektiv gucken kann und so genau sieht was passiert. Andererseits braucht er viel Platz und verhindert, dass man, wenn das Foto aufgenommen wird und der Spiegel hochklappt, um Licht auf den Sensor zu lassen, sieht, was sich vor der Kamera tut. Bei spiegellosen Kameras ohne Spiegelkasten blickt man nur indirekt durchs Objektiv. Der Sucher ist ein Bildschirm. Der zeigt, was der Sensor sieht. So sieht man schon vor dem Drücken des Auslösers, wie das Foto in etwa aussehen wird. Solche Kameras sind in der Regel handlicher und günstiger. In der Vergangenheit waren spiegellose Kameras aber auch langsam, nicht sehr ausdauernd und auch nicht besonders zuverlässig. In den letzten Jahren haben sich diese Lücken zu klassischen Spiegelreflexkameras geschlossen. In manchen Bereichen übertreffen spiegellose Kameras inzwischen sogar ihre Gegenstücke mit Spiegel.

Trotzdem hielten die Traditionsmarken Canon und Nikon der Spiegelreflex in den letzten Jahren die Treue. Doch nun setzen auch Nikon und Canon auf spiegellose Kameras. Vorbei scheinen die Zeiten als es so aussah, als würden sich die beiden Firmen bei der neuen Technologie zurückhalten, um ihre bestehenden Angebote nicht selbst zu konkurrieren. Dass Canon und Nikon an spiegellosen Vollformatkameras experimentieren wurde seit Jahren gemunkelt. Doch diese Woche wurden die Gerüchte konkret. Nikon hat in einer Pressemitteilung und einem Teaser-Video die Pläne öffentlich gemacht: «Nikon freut sich, die Entwicklung einer spiegellosen Nikon-FX-Vollformatkamera und von Nikkor-Objektiven mit einem neuen Bajonett bekannt geben zu können», teilt das Unternehmen mit. Dank der über 100-jährigen Erfahrung soll sich «eine neue Dimension der optischen Leistungsfähigkeit eröffnen». 

Nikon hat sich Zeit gelassen, den grossen Schritt in die spiegellose Welt zu machen. Als ich vor rund einer Woche das erste Mal ein Vorserienmodell der Nikon Z in die Hand nehmen durfte, wurde eines klar: Es hat sich gelohnt zu warten. Nikon hat hervorragende Arbeit geleistet und eine spiegellose Kamera im Vollformatsegment geschaffen, welche ihresgleichen sucht. Mit dem neuen Z Bajonett schafft Nikon neue Möglichkeiten im Bereich der Abbildungsleistung, und mit dem Bajonettadapter können Nikon Fotografen ihre bisherigen Objektive an der neuen Nikon Z verwenden. Mit dieser neuen Kamerageneration wird Nikon seine Fans rundum begeistern - und wohlmöglich ein paar neue Anhänger dazu gewinnen. 

Kernstück der Z 6 und Z 7 sind die von Nikon entwickelten und bei anderen Firmen im Auftrag produzierten Kleinbild-Vollformatsensoren (36 mal 24 Millimeter) mit 24,5 beziehungsweise 45,7 Megapixeln Auflösung. Die etwa 1.400 Euro günstigere Z 6 löst 24,5 Megapixel auf, wobei 273 Phasen-Autofokus-Sensoren auf 90 Prozent der Sensoroberfläche untergebracht sind. Sie sollen laut Nikon keine Bildqualitätseinbußen bringen. Zwölf Serienbilder pro Sekunde sind mit diesem Sensor möglich, die ISO-Empfindlichkeit bewegt sich in einem Bereich von 100 bis 51.200, erweitert von ISO 50 bis 204.800. Der Sensor der Z 7 bringt es auf 45,7 Megapixel Auflösung und 493 Phasen-Autofokus-Messfelder, die ebenfalls 90 Prozent des Bildfelds abdecken. Die Serienbildrate liegt bei maximal neun Bildern pro Sekunde, die ISO-Empfindlichkeit beträgt ISO 64 bis 25.600 beziehungsweise ISO 32 bis 102.400 mit Erweiterung. Damit ist die Z 6 nicht nur das günstigere, sondern auch das sportlichere und besser für Low-Light geeignete Modell, dafür ist die Z 7 für Studioaufgaben, Landschaften und Architektur und Mode- sowie Porträtaufnahmen prädestiniert. Das sind auch schon die Unterschiede der Z 6 und Z 7 gewesen.

Den Sensoren gemeinsam ist der rückwärtig belichtete Aufbau für eine effektivere Lichtausbeute, auf Tiefpassfilter verzichtet Nikon. Eine Premiere feiert zudem der Sensor-Shift-Bildstabilisator, der auf fünf Achsen bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten ermöglicht. Noch effektiver wird die Bildstabilisierung in Zusammenarbeit mit einem optischen Bildstabilisator im Objektiv, was vor allem im Telebereich Vorteile bringt. Der robuste Verschluss arbeitet sehr leise und ist auf 200.000 Auslösungen ausgelegt. Einen lautlosen elektronischen Verschluss bieten die beiden Z-Systemkameras ebenfalls, auch eine Kombination aus elektronischem ersten und mechanischem zweiten Verschlussvorhang ist möglich. 

Videos nehmen die Z 6 und Z 7 in 4K-Auflösung (3.840 x 2.160) mit 30 Bildern pro Sekunde auf. In Full-HD sind sogar 120 Bilder pro Sekunde für Slow-Motion-Effekte möglich. Dank 10-Bit-HDMI-Ausgabe kann laut Nikon dank N-Log ein Dynamikumfang von bis zu zwölf Blendenstufen erreicht werden, auch Timecodes lassen sich mit aufzeichnen. Während der Aufnahme arbeitet ein zusätzlicher elektronischer Bildstabilisator für noch ruhigere Videoaufnahmen, auch Fokus-Peaking kann während der Aufnahme genutzt werden. Ermöglicht wird das alles durch den neuen leistungsfähigen Bildprozessor Expeed 6.

Der elektronische Sucher besitzt eine hohe Auflösung von 3,69 Millionen Bildpunkten (QVGA) auf einem OLED, das mit 60 Bildern pro Sekunde arbeitet. Die 0,8-fache Vergrößerung bietet ein großes Sucherbild. Zudem steht der Sucher nach hinten sehr weit vor, sodass man sich nicht die Nase am Bildschirm plattdrückt. Apropos Bildschirm: Hierbei handelt es sich um ein 8,1 Zentimeter (3,2 Zoll) großes, 2,1 Millionen Bildpunkte auflösendes OLED mit Touchfunktion, das sich zudem nach oben und unten klappen lässt. Selbstverständlich wird ein Touch-Autofokus unterstützt, jedoch nicht während des Blicks durch den Sucher. Dank des Joysticks lassen sich die Fokuspunkte auch ganz klassisch verschieben.

Das neue Z-Bajonett besitzt mit 55 Millimetern einen deutlich größeren Innendurchmesser als das Nikon-F-Bajonett, das nur auf 47 Millimeter kommt. Das ursprünglich nur für APS-C ausgelegte Sony-E-Bajonett misst sogar nur 46,5 Millimeter Innendurchmesser. Das Auflagemaß fällt mit 16 Millimetern dagegen besonders klein aus, was wiederum ein Vorteil gerade im Weitwinkelbereich ist. Dank eines nur 150 Euro Aufpreis kostenden F-Bajonett-Adapters (FTZ) lassen sich jedoch fast alle Nikkor-Objektive ohne Einschränkungen an den neuen Z-Kameras betreiben. Sie müssen nur einen eigenen Autofokusmotor mitbringen (AF-S- und AF-P-Objektive), dann sollen sie ebenso schnell fokussieren wie an einer Nikon-DSLR. Auch Fremdobjektive von Sigma funktionierten bei einem kurzen Test an dem Adapter. Der uralte, externe Blendenmitnehmer wird jedoch nicht unterstützt, hier bleibt die Nikon DF das einzige DSLR-Modell, das das beherrscht.

Eine Kröte allerdings müssen Käufer einer Nikon Z 6 oder Z 7 schlucken: Die Kameras bieten nur einen einzigen Speicherkartenslot, bei dem es sich obendrein um einen XQD-Schacht handelt. Die Karten kommen bisher sehr selten zum Einsatz, entsprechend klein ist die Auswahl, der Preis jedoch besonders hoch. Theoretisch sind XQD-Karten ein wenig schneller und robuster als SD-Speicherkarten, in der Praxis ist der Unterschied aktuell jedoch nicht sonderlich groß. In den XQD-Schacht lassen sich aber auch CF-Express-Karten einlegen. Bleibt zu hoffen, dass die Zahl der Speicherkartenanbieter steigt und der Preis entsprechend sinkt.

Die Nikon Z 6 und Z 7 sind mit modernen Schnittstellen ausgestattet. Beide beherrschen WLAN, Bluetooth und Snapbridge in der neuesten Version. Anders als bisher ist die WLAN-Schnittstelle wieder offen, lässt sich also auch ohne Snapbridge nutzen. Ein Zugriff vom Computer auf die Kamera inklusive Fernsteuermöglichkeit ist kein Problem und von Nikon auch so vorgesehen. Damit reagiert der japanische Hersteller auf die anhaltende Kritik. Die HDMI-Schnittstelle kommt in der Mini-Ausführung, der USB-Anschluss in der Typ-C-Version. Darüber lässt sich nicht nur der Akku laden, sondern auch die Kamera dauerhaft mit Strom versorgen, von einer Powerbank auch mobil, was beispielsweise lange Zeitrafferaufnahmen, die die Z 7 sogar in 8K-Videos wandeln kann, vereinfacht. Des Weiteren sind ein Stereo-Mikrofoneingang, ein Kopfhörerausgang und ein Fernauslöseanschluss verbaut (der klassische eckige von Nikon). Auch ein TTL-Systemblitzschuh fehlt nicht, nur auf einen integrierten Blitz müssen die Käufer verzichten.

Auch Canon? Bei Canon ist die Faktenlage deutlich dünner. Gerüchte deuten aber ebenfalls darauf hin, dass eine spiegellose Vollformatkamera noch dieses Jahr vorgestellt werden könnte. Die Rede ist aktuell von der zweiten September-Woche. Das Timing würde auf jeden Fall passen. Wird am 26. September doch die wichtige Fotomesse Photokina eröffnet. Da zeigen Hersteller gerne ihre kurz vorher angekündigten Neuigkeiten.